Friedrich Merz und die Verachtung von Armen und Flüchtlingen

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Ach, Friedrich Merz will der Sebastian Kurz von Deutschland sein und wirbt mit einer mitleidslosen Verachtung von Armen und Flüchtlingen und einer alternativlosen Härte für die Zukunft. Was steckt denn dahinter, wenn er von „ans nicht arbeiten gewöhnen“ redet?

Es ist ein rhetorischer Kniff, weil er die realen Verhältnisse verkehrt. Nicht die Zeiten sind so schlecht, dass Leute keine Arbeit finden, in Kurzarbeit gehen müssen; sondern es ist eine individuelle Entscheidung nicht arbeiten zu WOLLEN. 

Dahinter steht das wahrlich nicht neue, neoliberale Bild der schuldigen und unschuldigen Armen – deserving and undeserving poor. Hier habe ich das mal länger ausgeführt.

Die Idee ist, arme Menschen zu spalten anhand arbiträrer Kategorien wie „wer sich anstrengt“ oder wer einen entsprechenden Habitus hat, um als Charityprojekt für Reiche durchzugehen. Die Definitionsmacht in so einer Sichtweise liegt immer oben. Es ist ein Machtverhältnis. 

Armut, Arbeitslosigkeit wird in so einer Sichtweise ein individuelles Problem, dem mit Fleiß, Anstrengung und Wollen beigekommen werden kann. Umkehrschluss: Wer arm, arbeitslos ist, war eben nicht fleißig genug. Eine Individualisierung systemischer Ursachen. 

Das schnoddrige „gewöhnen“ offenbart zudem ein negatives Menschenbild. Menschen an der Schwelle zur Arbeitslosigkeit stehen im Verdacht, zu faulenzen und sich ein schönes Leben auf Kosten von anderen zu machen. Ihnen muss mit der Knute beigekommen werden, sonst „gewöhnen“ sie sich. 

Der Treppenwitz: Von der vielgepriesenen konservativ-liberalen Eigenverantwortung und Freiheit ist nichts mehr über, wenn es um arme Menschen geht. Die müssen beobachtet, sanktioniert und gegängelt werden. Die sind nicht in der Lage rationale, eigenständige Entscheidungen zu fällen. 

Zynisch ist auch, dass das mitten in der Pandemie kommt, als wären Menschen freiwillig daheim. Als wäre Homeoffice und Kurzarbeit „nix“ arbeiten. Es ist schon bizarr, hier von einem positiven und erholsamen Gewöhnungseffekt auszugehen. 

Interessant ist auch, dass er sagt „Wir müssen aufpassen“. Das ist sicherlich nicht geplant gewesen, sondern offenbart eine Selbstverständlichkeit: Arme und Arbeitslose sind „die Anderen“, über die man spricht, die nichts mit einem selbst zu tun haben und die verdächtig sind. 

Ich möchte es nicht zu lang machen, aber Merz bedient hier eine der perfidesten neoliberalen Denkfiguren: der verdächtige Arme oder Arbeitslose, der sich auf Kosten der braven Allgemeinheit ein schönes Leben macht, und dem man nur mit Härte beikommen kann. 

Diese Sichtweise ist leider tief in den gesellschaftlichen Mainstream gesickert. Wer dagegen anlesen möchte, bitte lest „Chavs“ von @OwenJones84, „Solidarisch gegen Klassismus“ von @denkwerkstatt und @Francis__Seeck und @danibrodesser sowie ihre Kolumnen im @moment_magazin 

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