Zu rechtsbürgerlichen Widerstandsposen

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Okay, es gibt viele verschiedene Spektren, die diese Anti-Corona-Maßnahmen-Mischkulanz gerade bilden. Ich möchte heute über diese rechtsbürgerliche Widerstandspose reden und die Strategien, die da bedient werden. Als Beispiel dient die letzte Folge des Wegscheiders.

Während es bei Spektren wie diesen esoterischen Impfgegner_innen („Seuchen-Fanclub“) klar ersichtlich ist was falsch läuft, so bemühen sich Rechtsbürgerliche um schmeichelnde Anlehnung an etablierte Diskurse. Link zu der Sendung gibts am Schluss.
Wegscheider beginnt die Sendung mit langen Ausführungen wie furchtbar der NS und die Judenverfolgung war. In sehr kritischen Worten, die so auch von Progressiven kommen könnten. Täter, Mitläufer, nur wenige stellen sich entgegen. Das bringt uns ihm sofort nah, so denken wir auch.
Interessant ist, dass er es sofort als Anklage formuliert „Wie konntet ihr das damals zulassen?“. Das ist ein rhetorischer Kniff, weil Anklagen an unbestimmte Personen emotionalisieren. Es schwingt hier auch natürlich ein „Nie wieder“ mit. Er bereitet hier v.a. emotional d Boden
Denn der NS, die Shoah, der Holocaust sind hier nicht das Thema. Sie dienen dazu uns aufzuwühlen und in die richtige Stimmung zu versetzen. Es ist ein rein instrumentelles Verhältnis. Denn nach den rührigen und emotionalen Ausführungen kommt der harte Bruch ins Jetzt.
„Schon seltsam, wenn es 75 Jahre nach dem Naziregime wieder zu einer radikalen Einschränkungen der Grundrechte kommt, dann herrscht Schweigen im Wald“
Zum Einen ist das emotionale Überwältigung – es wird suggeriert, dass die Situation damals so ist wie heute.
Er wühlt uns auf, wir haben die Bilder vor Augen, sie sind im kulturellen Gedächtnis. Picksüß wähnt heuchelt er Mitleid mit den Opfern und klagt die Täter an. Nur um dann diese Zeit nur als Leinwand für heute zu verwenden. Wir werden von den Bildern von damals zu heute geführt.
Ich brauche hier nicht ausführen warum dieser Vergleich nicht nur politisch unlauter, sondern faktisch und analytisch falsch ist. Aber er wirkt, weil natürlich niemand diese Zeit haben will. Es funktioniert aber auch nur, weil d NS nur als diffuses „großes Böse“ dargestellt wird
Deswegen funktioniert auch der nächste Kniff. Wegscheider lamentiert ewig lang darüber, dass „Kritiker“ mundtot gemacht und verunglimpft werden. Die Suggestion dabei „Sowie damals die Juden, so wir heute“. Das ist die logische Folge aus der Gleichsetzung von heute mit damals.
Und merkt ihr was? Es ist genau das Selbe was die „Impfgegner_innen“ (FC Seuche) machen. Nur nicht so plakativ und gefälliger. Während uns die selbstgebastelten Judensterne zurecht aufregen, so pickt sich Wegscheider selbst den Judenstern verbal an. Und es funktioniert.
Danach kommt die Selbstheroisierung in der Anklage der anderen Medien. Niemand hat kritisch berichtet, ALLE haben nur geklatscht. (Immer mit der gedachten Ausnahme: außer ich selbst, ich bin der einzig kritische Mensch). Auch das ist faktischer Blödsinn.
Das Lustige: Wenig später verweist er darauf welche „Kritiker“ sich wo geäußert hätten und verweist auf Interviews in namhaften Magazinen. Also was darf es sein: Die Kritiker sind mundtot oder sie sind so große Experten, dass sie überall interviewt werden? Doppelstrategie.
Er spart nicht mit der Sprache, die wir aus den Magazinen der extremen Rechten oder eben den Demonstrationen kennen: „Handlanger“, „Erfüllungsgehilfen“. Die sind alle ein verschworenes Lager, wir paar Weniger sind im Widerstand. Nur so kann man sich selbst zur Minderheit machen.
„Die Wissenschaft“, „Die Medien“, „Die Politik“ – alle stecken sie unter einer Decke. Und diese Decke kommt von, erraten, Bill Gates. In abstrusen Grafiken (ohne jede Quelle!) werden Drosten, der Spiegel und Co als Gates‘ Jünglinge dargestellt. Auch das knüpft an ganz rechts an.
Aber diese Idee, dass es einen Bösen gibt, der böses will und dann gibts die paar Helden, die aufbegehren ist wichtig für diese Widerstandspose. Aus sozioökonomischer oder politischer Sicht ist es ja absurd, d die d Minderheitspose annehmen, aber in so einer Erzählung sind sie es
Es ist der Wunsch der Mehrheit sich mit den Waffen der Minderheit zu bewaffnen. Ein Aufbegehren gegen Impfung und Risikogruppenschutz wird so zur Selbstbefreiung der Unterdrückten. Es ist also Notwehr und ein Freiheitskampf und das ist immer legitim. Selbstlegitimierungsstrategie
Das ist gerade aus bürgerliche Sicht wichtig, wo Werte wie „Normalität“ „Etikette“ „Würde“ „Normalität“ „Anstand“ eine große Rolle spielen. Und genau das wird damit bedient. „Wir wollen einfach Menschen töten“ zieht nicht. „Das ist ein Freiheitskampf“ ist anschlussfähig.
(bist du deppat machen mich die Kamerawechsel und die Mimik von Wegscheider fertig. Argh)
Und nein, das mit dem NS ist nicht nur eine potscherte Einrahmung. Immer wieder kommt er auf den Beginn des Monologs zu sprechen. „Ich möchte mir nicht ausmalen, wie die heute damals agiert hätten“. Suggestiv für „Die, die heute auf Risikogruppen achten sind die Nazis von damals“
Die Dämonisierung Gates erinnert stark an die von Soros. Wegscheider zeigt einen Ausschnitt, wo Gates ü „Side effects“ von Impfungen spricht und wenn d ganze Welt d Impfung bekommt, dann sind das 700.000 Menschen. Für Wegscheider „schwerste Behinderungen“, eher Fieber, Schwindel
Das ist eine klassische „gotcha!“-Strategie. Wenn differenziert denkende Menschen differenzierte Dinge sagen, dann wird das gegen sie verwendet statt, dass es ihnen positiv ausgelegt wird. Gleichzeitig wird völlig übertrieben ein Horrorszenario ausgemalt, was nie gesagt wurde.
Eine Strategie habe ich noch: Projektion. Die Anderen sind die „Panikmacher“ die „Hysteriker“ usw, während man im Umkehrschluss vernünftig und rational ist. Gleichzeitig suggeriert man selbst, dass quasi über Nacht ein NS-Staat errichtet wurde und wähnt sich im Widerstand.
Und er verwendet permanent das Wort „Verschwörungstheoretiker“ für Menschen, die nie so genannt wurden. Klassisches Strohmann-Argument gegen das man sich empören kann. Gleichzeitig suggeriert er sowas wie „Verschwörungstheorie“ gibt es nicht. Er schützt sich damit selbst.
Es ist eine Selbstimmunisierungsstrategie. Wenn eh alles Verschwörungstheorie ist (was niemand sagt, er aber behauptet), dann gibt es das gar nicht. Dann kann er Verschwörungsmythen (wie die zu Gates) verbreiten und es „Kritik“ framen. Das ist Diskurszerstörung.
Zusammengefasst haben wir hier sehr viele Strategien gesehen, d gerade von rechtsbürgerliche Seite in Zusammenhang m Corona bedient werden:
Selbstheroisierung
Selbstimmunisierung
Diffamierung
Strohmann
Selbstpräsentation a Minderheit
Frames „Freiheit“ „Widerstand“ – Legitimation
Ich möchte daran erinnern, dass Servus TV ein österreichischer Privatsender ist, der von Red Bull-Gründer Mateschitz gegründet und finanziert wird. Das ist kein Ausrutscher, immer wieder kommen dort Rechtsextreme zu Wort. Mit Wegscheider hat diese Ideologie eine eigene Sendung.
Hier die Sendung zum Nachschauen, es gibt hier sehr viel sprachlich zu entdecken, deswegen habe ich diese Analyse gemacht. (Es bringt Klicks, ich weiß das). Auch als Übung für euch selbst ein sehr gutes Beispiel. Für Seminare etc.

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