Wie der österreichische Finanzminister mit Kritik von Intellektuellen umgeht

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Schauen wir uns an, was da heute passiert ist in der Pressestunde. Blümel (ÖVP Wien; Finanzminister) antwortet auf die Frage warum er auf FB ein Post des Schriftstellers Robert Menasse löschen ließ, Folgendes. Das ist auch für euch relevant lieber D-Feed. Ein paar Vorbemerkungen.

In Wien stehen am 11. Oktober Wahlen an. Spitzenkandidat der ÖVP, die das letzte Mal ein Desaster erlitten hat, ist Gernot Blümel. Er ist gleichzeitig Finanzminister und einer der intimsten Berater von Kanzler Kurz. Im Wahlkampf setzt er auf Migration und Sicherheit, also FPÖ-Kurs. 

Ein (recht generischer) Wahlslogan lautet „Wien wieder nach vorn bringen“ (ihr erkennt darin den MAGA-Topos, nur nicht ganz so gut). Robert Menasse hat es gereicht und er hat folgendes Post verfasst. Er fragt sich wo dieses „wieder vorn“ sein soll. Sehr amüsant.

Wie um alles in der Welt kommt Blümel nun dazu a) dieses Post zu löschen und b) Menasse NS-Gedankengut vorzuwerfen. A) ist leicht beantwortet – es ist unfassbar unangenehm, so vorgeführt zu werden. Statt es auszusitzen oder scharfsinnig darauf zu antworten, Löschung und Streisand. 

B) ist ein Move, den Trump auch sehr gerne macht. Die, denen ein Punkt gegen ihn gelungen ist, müssten sich eigentlich entschuldigen. Es ist eine Umkehr, wo einfach eine Niederlage in einen Sieg geredet wird. Weil es die Option „entschuldigen“ in ihrer Welt nicht gibt. 

Es ist auch nie die direkte Konfrontation oder die Konfrontation auf Augenhöhe möglich. Bei nächster Gelegenheit folgt der Tiefschlag. NS-Gedankengut vorwerfen ist natürlich die maximalistischste Anschuldigung, die es gibt. Noch dazu einem Robert Menasse. Das bleibt picken. 

In gespieltem Großmut fügt Blümel an, dass Menasse es aber bestimmt nicht so gemeint hat. Hier stellt er eine hierarchische Beziehung her – Blümel, der NS-Gedankengut erkennen kann und Menasse, der dafür zu blöd oder ignorant ist. Blümel gibt sich eine belehrende Rolle. 

Das ist natürlich eine unglaubliche Chuzpe. Der Subtext ist: dem achso-intellektuellem Robert Menasse ist ein NS-Gedankengut „passiert“, aber ich schlauer und integrer Gernot Blümel lass es auch ihm nicht durchgehen. Ich kann ihm ja erklären, wie das so ist. 

Interessant ist ja, dass Blümel nicht „NS-Verharmlosung“ sagt (was er wohl meint, aber genauso lächerlich ist, dazu gleich mehr), sondern bewusst offen „NS-Gedankengut“ sagt. Alle, die das nicht gelesen haben, malen sich nun wohl aus, dass Menasse den NS gelobt hat oder so etwas. 

Und genau in dieser Schwammigkeit liegt die Diffamierung – Blümel antwortet mit keiner Silbe inhaltlich, sondern raunt nur bedröppelt vom „NS-Gedankengut“ des Robert Menasse, das gelöscht wurde. Das ist eine sehr tiefe, sehr schmutzige Diffamierungs- und Verwirrungsstrategie. 

Wir haben das Post ja nicht vor uns (hey @ORF das geht besser, wenn soetwas kommt, Post einblenden und Punkt für Punkt durch diskutieren). Es bleibt eine große Verwirrung, was denn nun geschehen sei – der sagt so, der Andere so. Ergo: Menasses Kritik an Blümel wird unsichtbar. 

Für diese Strategie sind zwei Dinge wichtig: 1. auf jeden „Angriff“ (Kritik ist immer ein Angriff) folgt ein Gegenangriff und 2. nichts ist einem dafür zu wider, umso tiefer umso besser. Weil: Kommunikation auf Augenhöhe nicht möglich. Entweder Opfer oder Besserwisser/Macher. 

Inhaltlich ist das natürlich eine ganz dünne Suppe und Blümel wertet wohl die völlig korrekte und unumstrittene Bewertung des antisemitischen Wiener Bürgermeisters Karl Lueger als Vorbild für Hitler als NS-Verharmlosung. Lueger vertrat einen rabiaten Antisemitismus. 

Er ist damit ein Vertreter eines bürgerlich-christlich-sozialen Lagers, in dem Antisemitismus (gepaart mit Hass auf die Sozialdemokratie) eine große Rolle spielt. Ich kann nur immer auf Jannek Wassermann – Black Vienna verweisen, wo genau dieses Milieu beschrieben wird. 

Warum wirft sich Blümel nun für Lueger ins Zeug, es gäbe dazu keinen Anlass. Nun zum Einen aus Kalkül, um Menasse zu desavouieren. Zum Anderen teilen sie sich tatsächlich dieselbe CV-Verbindung – die Norica Wien. Und Bundesbrüder lässt man offenbar auch 120 Jahre später nicht hängen. 

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