Über „Ali“ und „Mustafa“ aus den FPÖ-Videos

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Über das FPÖ-Video wurde schon sehr viel geredet und es ist für alle nicht rechtsextremen Menschen auf den ersten Blick abstoßen und widerlich. Wollen wir darüber reden warum es so wirkt? Es sind ein paar ziemlich perfide entmenschlichende Strategien, die hier angewandt werden.

Die beiden Figuren „Ali“ und „Mustafa“ werden mit klar türkisch konnotierten Vornamen bezeichnet. Sie haben keinen Nachnamen. Das dient der Herabsetzung. Rassistisch und klassenbezogen. Ähnlich wie zB Bauhackler angesprochen werden oft.
Sie werden darüber hinaus als „Cousins“ vorgestellt. Dass spielt auf diese Vorstellung von riesigen Clans an, die nur hier sind um die Österreicher_innen auszusackeln. Es hätte ja auch Freunde oder Kollegen sein können. Nein Cousin ist nah und distant genug im Verhältnis.
Sie sind beide mit Fes dargestellt. Ein Kleidungsstück, das niemand je im Alltag trägt. Es ist aber klar konnotiert, da es wohl viele von irgendwelchen „Folklore“Abenden aus dem Urlaub kennen. Und genau das wird damit gekennzeichnet: Nicht von hier, rückständig, anders.
Beide Figuren werden zudem mit dickem Schnauzer dargestellt. Auch ein Marker für das „anders“. Auch interessant die sonstige Zeichnung der Figuren: sehr grob, fast wie von einem Kind gemalt, ohne Details und unproportional.
Zum Beispiel reichen die Arme nichtmal bis zum Gürtel (stellt euch mal hin – die gehen bis zum Oberschenkel). Die Bauchansatz soll auch despektierlich sein in diesem Zusammenhang. Die großen Gluschaugen ohne Lid und Wimpern wirken dümmlich und sollen es auch.
Die überporpotional großen Füße erinnern an Goofy o Clowns und verstärken den Eindruck der Dummheit und Trotteligkeit. Zudem sind d Haare schütter u an der Stirn haben die Figuren gar keine mehr. Spannend ist das vor allem, weil es eben nicht der durchgängige Stil des Videos ist.
Es steht im starken Kontrast zu der Frau am Empfang der Arztpraxis. Die ist sehr detailreich und fein dargestellt im Vergleich, etwa mit Augenbrauen. Sie ist zudem völlig unproportional größer als die Figuren „Ali“ und „Mustafa“.
Es wird also ohne Worte und auf der ersten Eindruck klar gemacht: sie ist gut, schön, groß. Die Männer sind klein, hässlich, dumm. Diese rassistische Strategie gibt es immer wieder und dient dem Lächerlichmachen, dem Verächtlichmachen und der Niedertracht.
Umgekehrt gibt es übrigens auch den anderen Fall, wenn Angst erzeugt werden soll: Dann sind „die Anderen“ groß, stark, brutal. Je nachdem was man gerade sagen will geht man in die eine oder andere Richtung. Das zeigt wie alles Schlechte in „die Anderen“ hineinprojeziert wird.
Spannend ist auch die Wortwahl „die Zähne auf Vordermann bringen“. Das suggieriert e Luxusanliegen (etwas was GKKs sowieso nicht zahlen) und nicht ein medizinischen Anliegen. Die bösen Alis und Mustafas wollen also etwas was ihnen nicht zusteht und „wir“ auch nicht bekommen.
Das ganze Video suggeriert zudem e Dringlichkeit. Soewas ist Gang u Gäbe (ist es nicht) u nur bei „den Anderen“ (ist es nicht nicht) verortet. Es stellt d paar Fälle wo es passiert zudem als bewusst bösartige Entscheidung zur Aussackelung der (österreichischen) Allgemeinheit dar.
Es verhandelt also eine soziale Notlage (nicht versichert, muss dringend zum Zahnarzt) als bewusst freie bösartige Entscheidung eines dummen aber gewieften Türkens dar, der auf Kosten der Allgemeinheit leben will und dem das mit Hilfe seines Clans ermöglicht wird.
Diese Entmenschlichung führt dazu, dass wir über seine Notlage lachen sollen. Die Träne am Schluss soll kein Mitleid erwägen, sondern wir sollen uns an seinem Kummer erfreuen. Ätsch, du darfst nicht zum Zahnarzt. Hahaha, du hast gedacht du legst uns – faslch gedacht.
Das ist ein nach unten treten und pure Entmenschlichung. Not, Kummer und Tränen werden nicht nur provoziert und hervorgerufen, nein die Betroffenen werden auch noch zur Belustigung der Allgemeinheit vorgeführt. Etwas was wir in faschistischen Regimen immer gesehen haben.
Damit wird jedes menschliche Band zwischen uns Zuseher_innen und den vorgeführten Figuren gekappt. Nur durch diese Entmenschlichung sind weitere Maßnahmen, die nur diese Figuren betreffen möglich. „Ali“ und „Mustafa“ sind ja keine Individuuen, sondern stehen für eine Gruppe.
Es wird also unter prägnanten Namen homogenisiert und kollektiviert. Wir kennen das z.b. mit antisemitischen Chiffren wie „Kohn“. Das sind auf der Eskalationsstufe der Ausgrenzung, Entrechtung, Vertreibung, Ermordung und Vernichtung ganz wichtige Schritte.
Dieses Video ist also kein Zufall und alles andere als gedankenlos. Im Gegenteil: da steckt viel Wissen und Handwerk dahinter. Mit nur wenigen Strichen und ohne große Worte wird ganz ganz viel transportiert. Und was da transportiert wird ist ein faschistisches Weltbild.

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