Manifest des Christchurch Attentäter

Lesezeit: ~7 Minuten

Ich mache mit meinen Gedanken zu jetzt einen neuen Thread. Am Ende werde ich auch noch weitere Analysen verlinken, die gescheite Leute schon vor mir angestellt haben. Und ich greife auch gerne die Idee nach einem # für diese Threads auf und brande den ganz schamlos #NatsAnalyse

1. für die, die theoretisch interessiert sind: bei der Lektüre bekomme ich starke Carl Schmitt-Vibes und zwar erkenne ich in dem Geschriebenen den Partisan von 1963 wieder. Für Schmitt war das vlt eine theoretische Spielerei – im Neofaschismus war/ist seine Skizze einflussreich.
Schmitt beschreibt mit seinem Partisan einen Charakter, der sich außerhalb der gezeichneten politischen Strukturen bewegten und sich durch Irregularität, Mobilität, Intensität und seinen tellurischen Charakter auszeichnet. Das ist ein fancy-Wort für Heimat, aber auch Erdverbunden
Das ist auch der entscheidende Unterschied zum Terroristen – Schmitts Partisan agiert quasi in Verteidigung der (inkonkreten) Heimat sowie der (konkreten) Heimaterde. Ich möchte euch nicht zu sehr mit Finessen langweilen, aber hier ist der völkische Umweltgedanke nicht weit.
Dieser völkische Umwelt- und Klimaschutzgedanke zieht sich nämlich durch das ganze Manifest. Und mit Schmitts Partisan ist auch gut erklärbar wieso sich ein Rechtsterrorist auch als Umweltkämpfer sieht. Das genau zu analysieren ist sicher lohnenswert.
Spannend ist halt auch wie ein aus Rechtsterrorist zu Carl Schmitt kommt. Er gibt selbst an sich in Europa radikalisiert zu haben. Das passt sehr gut, d im europäischen Rechtsextremismus gibt es seit vielen Jahren einen Schmitt-Hype. Gemeinsam mit Jünger DIE Inspirationsquelle.
Von Schnellroda ü d Idis bis zu Konservativen, alle graben sie ihren Schmitt wieder aus, der als einer der gr Staatstheoretiker d 20 Jh das Ideal im autoritären Führerstaat sah. Auch Kickl bezog sich auf ihn, siehe hier (allerdings nicht auf den Partisan)
2. Einer der Hauptantriebe des Terroristen ist Antifeminismus. Gleich zu Beginn macht er klar was das für ihn wichtigste Thema ist: fallende Geburtenraten bei Europäerinnen und zu hohe Geburtenraten bei allen Anderen. Dementsprechend kann die „weiße Rasse“ nicht überleben.
Das ist blanker Rassismus gepaart mit blankem Antifeminismus. Immer der Vorwurf an die europ Frauen sie hätten besseres (Arbeiten, Emanzipation…) zu tun als Kinder kriegen und somit das Volk, die Nation, die Rasse zu erhalten. Dabei ist das die einzige echte Aufgabe für Frauen.
Der Niedergang der westlichen Welt ist also dezidiert die Schuld der Frauen. Das ist eine enorm starke Logik. Überlegt mal was das heißt und zu was es in dieser Logik berechtigt. Die Nation ist das Höchste und sie stirbt wegen Feminismus- Feministinnen sind Hauptfeind.
Diesen gewalttätigen und mörderischen Antifeminismus sehen wir in eskalierender Weise bei rechtsextremen Gewalttaten. Er war auch für Breivik und in seinem Manifest enorm wichtig. Frauen, die nicht entsprechen, haben keine Lebensberechtigung und gehören eliminiert.
3. Dem gegenüber steht ein heroisches und soldatisches Männerbild. Mit gewohntem Pathos werden die weißen, europäischen Männer zur Tat gerufen und dabei die Ahnen beschworen. Sowie sie damals, so wir heute. Sowie sie 732 oder 1683, so wir 2019. Kennen wir gut zb von d Identitären
Neben der gehörigen Portion Selbstverliebtheit, die hinter so einem Männlichkeitsbild steht ist spannend was es impliziert. Wenn die Männer kämpfen und dabei Soldaten sind, dann haben wir Krieg. Und im Krieg gibt es kein demokratisches Ausverhandeln.
Im Krieg gelten andere Gesetze und es geht um Leben und Tod. Es gilt eine strikte Hierarchie und eine Befehlskette. Und sich im Krieg entziehen bedeutet Verrat an d Gemeinschaft und wird mit Tod bestraft. Soldatentum aufs zivile Leben umzulegen bedeutet Demokratie zu eleminieren.
4. Dadurch, dass sich Rechtsextreme wie der Terrorist im Krieg wähnen (und er ist nicht der Einzige, auch Parteien beschwören ihn), gibt es eine Dringlichkeit, die so typisch ist auch für die Neue Rechte. Wir müssen JETZT handeln, keine Zeit für Diskussion, morgen ist es zu spät.
Das passt zb gut damit zusammen, dass sich die Identitären als „letzte Generation“ sehen. Sie sind die Letzten, die den Untergang aufhalten können. Daraus ergibt sich für alle Unschlüssigen eine Zwangssituation: ich kann nicht überlegen, ich MUSS jetzt handeln.
5. Die Todessehnsucht und die Todesverachtung sind so starke Triebe für den rechtsextremen Männerbund. Es ist nie Weniger, als die Apkalypse und der Untergang der bevor steht. Dementsprechend ordnen sie ihr eigenes Leben heorisch dem Kampf ums Überleben der Nation unter.
Das sind starke Motive etwa in der Religion oder der Kulturwissenschaft. Jede Set an Glaubensmythologie hat dieses Untergangsmotiv – die Apokalypse, Ragnarök… mit komplexen, rationalen und erwachsenem Handeln in einer modernen Gesellschaft hat das nichts zu tun.
Das ist eine Vereinfachung ins Extremste und eine Archaisierung menschlicher und gesellschaftlicher Zusammenhänge auf die Rechtsextreme nicht in der Lage sind sich einzulassen. Es eine Ablehnung des menschlichen Zusammenlebens und der Moderne.
6. Das Spannende ist, dass die Moderne aber nicht ganz abgelehnt wird. Der technisch-mediale Aspekt wird komplett angenommen. Genauso wie die Diskursive Globalisierung. Im Manifest gehts um IPO USA genauso wie GB, mitteleurop Geschichte, Balkan, NZ, Aus.
7. Ok ok es wird ziemlich lang. Kurz Anreißen möchte ich noch, dass der Anti-Urbanismus wieder eine Rolle spielt. Die multikulturellen Städte als das gr Übel, dem die erhaltenswerte Natur gegenüber gestellt wird. Er plädiert aber deswegen die Konfrontation in d Städten zu suchen.
8. Dieser Umweltschutzgedanke ist auch noch sehr spannend. Ich hab kurz skizziert wo er den mE her hat. Spannend ist wie Umwelt- und dezidiert auch Klimaschutz mit eliminatorischem Rassismus verquickt werden. Ganz easy. Das Zauberwort ist Überbevölkerung.
Das passt wiederum gut zum Fertilitätsratenthema und die logischen Konsequenzen dieser Gedanken könnt ihr euch vorstellen. Das bedeutet, dass Umwelt- und Klimaschutzbewegungen sehr wachsam sein sollten welche Diskurse wie in ihrem Namen geführt werden.
Es braucht eine sozial-gerechte (und damit antikapitalistische) Klimaschutzbewegung. Es braucht gleichzeitig auch eine antifaschistische Klimaschutzbewegung, denn es ist nicht neu, dass Faschist_innen Umweltschutz für sich vereinnahmen wollen.
Ich habe mir noch Einiges mehr aufgeschrieben (Drogen, Popkultur, Steuern…), aber vlt komme ich da später noch einmal dazu. Wichtig ist: diese 74 Seiten sind ein Sammelsurium und Anreißen der wichtigsten rechtsextrenen Diskurse der letzten Jahre. Es ist nicht neu.
Ganz ganz viel kennen wir fast wortident aus den Kommentarspalten namhafter Zeitungen oder aus Presseaussendungen von Regierungsparteien. D.h. nicht, dass die Alle Terror gut finden. Aber er ist die letzte logische Konsequenz der Untergangs-Kriegs-Rhetorik.
Abschließend erlaube ich mir euch auf einige tolle Analysen hinzuweisen. Zb auf die vom DÖW, die sehr fix und gewohnt qualitätsvoll waren: doew.at/erkennen/recht…
Auch die @KatQuat schüttelt wie gewohnt einen absolut hochwertigen Eintrag aus dem Ärmel: https://fireredfriederike.com/2019/03/17/the-days-after-otautahi-weiter-wie-bisher/
Über die Verbreitung des Terrors in Zeiten von Social Media und 4chan und 8chan hat @saschalobo geschrieben und welche Implikationen das für uns Alle hat https://twitter.com/saschalobo/status/1107329997881200641
(Ich ergänze, wenn ich die weiteren Links finde und zu Abend gegessen habe. Feel free Artikel zu empfehlen)

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