ZIB2 Interview mit Sebastian Kurz

Lesezeit: ~8 Minuten

So also auf zum gestrigen ZIB 2 Interview mit Sebastian Kurz. Es ist ein sehr langes Interview und ich gehe es jetzt nicht Frame für Frame durch, sondern versuche mich auf die wesentlichen Aussagen zu konzentrieren, die zeigen wo es hin geht im Wahlkampf. #NatsAnalyse

Eine durchgehende Erzählung, die er recht passiv-aggressiv gleich zu Beginn darlegt ist, dass Österreich geschwächt ist auf europäischer Ebene. Und implizit: das ist die Schuld der Opposition. Mit ihm als Kanzler ist Ö stark, ohne ihn schwach.
Das knüpft natürlich an das Bild von Stabilität an. Nur mit ihm wird es gut, nur mit ihm herrscht Ordnung. Alles Andere ist Chaos und das soll uns Angst machen. Er ist das Gute und wenn er nicht da ist, ist es schlecht. Und das ist die Schuld der Opposition.
Auch als Nächstes etwas was wir schon kennen: er knüpft sich sprachlich an den Bundespräsidenten. Er war im Austausch und gemeinsam haben sie x u y festgelegt. Das vermittelt Stärke und erhebt ihn über die anderen Parteichef_innen. Er ist quasi wie ein zweiter BP, sie sind e Team
Er tut also so als sei es völlig logisch, dass er nichtmal noch 2 Tage bleiben kann um geordneten Übergang zu garantieren. Das ist ja eigentlich das Gegenteil von Stabilität, sondern kindisch und unverantwortlich. Aber Kurz behauptet einfach da Gegenteil und das reicht.
Auch als Wolf ihn auf die Schelte von VDB anspricht wischt er es einfach weg. Er erzählt, dass er VDB getroffen hat u dieser beteuert er habe auf keinen Fall Kurz gemeint. Ja, wen denn sonst bitte?
Aber diese Behauptung von 2er-Treffen und nach wie vor intimen Austausch suggeriert Wichtigkeit. Kurz ist nicht ein einfacher Politiker, sondern der Bundespräsident sucht seine Nähe (und insinuiert seinen Rat), weil er so ein großer Staatsmann ist. Dreist.
Das Perfide: VDB kann sich nicht wirklich wehren. Er ist BP und ist betont gelassen u ruhig. Er kann jetzt nicht Kurz für d behaupteten Tête-à-Têtes angehen sondern muss es schweigend wegatmen, auch wenn es nicht stimmt. Es würde halt sonst niemandem einfallen sowas zu behaupten.
Kleiner Tiefschlag am Rande: er (und der BP. Beide gemeinsam) wäre(n) ja für Alles offen gewesen, a die Anderen sind halt so emotional. Eine beliebte Strategie sich als rational, ruhig, besonnen zu geben während die Anderen emotional, hysterisch, irrational sind. V.a. geg Frauen
Gleichzeitig inszeniert er sich mit einem verschmitzen schiefen Grinser als Bad Boy. Wenn die Anderen mich halt nicht packen und ich sie so provoziere, dann räume ich halt gleich meinen Posten. Er sieht kein Sachargument sondern präsentiert seine Abwahl als Neurose der Andere.
Auch etwas was sich durch Kurz‘ ganze Rhetorik zieht: ich tue das, was ich für richtig erachte. Das ist wichtig für uns, um sich ihm nahe zu fühlen und ihn sympathisch zu finden. Er hat einen moralischen Kompass u dem folgt er. Das finden wir doch Alle gut. Er erinnert uns daran.
(Sorry f kurze Pause, Kind hat Hunger) Kurz stellt dem Parlament ein zweigeteiltes Selbstbild gegenüber. Einerseits der Staatsmann, der international geachtet und wichtig ist. (Siehe Beginn des Threads mit Bedeutungsverlust) andererseits der Volkstribun, d jetzt durchs Land zieht
Beides suggeriert, dass das Parlament einfach nicht so wichtig wie er ist. Entweder er erhebt sich und ist d starke Leader, der Österreich vertritt, ja symbolhaft Österreich ist. Oder er ist d einfache Bub, einer von uns, der lieber mit „den Menschen“ redet als im Parl zu sitzen.
Beides spielt auf der bekannten Klaviatur des Parlaments als abgehoben, schwach, unwichtig. Als ob das Parlament nicht das Herz der (bürgerlichen) Demokratie ist. Aber das Image von „Politik“ ist halt mies und genau da setzt er an und genau dieses Bild werden wir sehen:
DIE plaudern abgehoben in Wien irgendwas, ICH bin da bei euch. Ich bin nicht wie die Anderen, ich stehe außerhalb dieses verlotterten politischen Systems. Eine beeindruckende Inszenierung für jemanden, der ein arrivierter Politiker ist und nie etwas Anderes getan hat.
Und gleich wieder die übertriebene Bescheidenheit: er möchte da etwas mitnehmen und sich gütig und weise Kritik und Lob abholen. Mich erinnert das an die Inszenierung als Ersatzkaiser zu dem „die Menschen“ mit ihren Klagen und Bitten kommen können. Eine direkte Verbundenheit.
Und dann gleich wieder Attacke. Es ist genau dieses neben einander v sanfter, demütiger Bescheidenheit und tiefsten Tiefschlägen. Und geg wen? D Sozialdemokratie. Lassen wir das kurz mal sickern. D FPÖ will die Republik verkaufen und Kurz fährt seit dem Attacken gegen die SPÖ.
Warum eigentlich? Warum ist eigentlich die SPÖ und nicht die FPÖ an seiner Misere, seinem Scheitern schuld? Das geht ja ins Pathologische. Spannend ist, dass wir das gemeinhin so akzeptiert haben. Dabei hat die FPÖ einem Antrag der SPÖ zugestimmt, nicht umgekehrt.
Die FPÖ ist doch das Zünglein an der Waage. Die SPÖ ist Opposition und macht was Opposition halt so macht. Keine Überraschung. Die Opposition hat halt normalerweise keine Mehrheit. Die Story ist doch nicht die SPÖ sondern die FPÖ bei diesem Misstrauensantrag.
Aber das übertüncht Kurz mit seinen erratischen Attacken geg d SPÖ. Warum? Weil es schon sehr schräg ist wie innerhalb weniger Tage aus einem harmonischen u geliebten Regierungspartner die ärgste Opposition wird. Bottom Line: Kurz hat seine Regierung nicht zusammen halten können
Aber er kann auch daran nicht (richtigerweise) der FPÖ die Schuld geben ohne seine Regierungsarbeit als solches schlecht zu machen. Deswegen reitet er gegen die SPÖ aus und hofft so von einer unmöglichen Situation abzulenken und sein Vermächtnis rein und gut zu belassen.
Warum das funktioniert weiß ich nicht, aber d harsche Stimmung (wegen Nichtigkeiten) gegen Pamela Rendi-Wagner in verschiedenen Medien zeigt, d es funktioniert. Die SPÖ ist aus irgendeinem Grund Schuld, w sie als Opposition Kurz nicht stützt, wenn der vorherige Partner auszuckt.
(Wie lang geht dieses Interview noch? Uff) dazu passt dann die EU-Wahl. Da gibt es natürlich keine Kausalität, aber wenn man Dinge, die so klingen als würden sie zusammen passen, lange genug wiederholt assoziieren wir das auch im Kopf. EU-Wahl – Misstrauensantrag
Da haben wir sie wieder: die irrationale, emotionale Sozialdemokratie, die aus niederen Motiven handelt und sich an Kurz rächen will (weil er so erfolgreich und gut und nah bei den Menschen ist). Er will die Sozialdemokratie wirklich konstant verbal vernichten.
Keine Differenzierung, kein positives Wort, kein Olivenzweig. Das ist ganz anders bei der FPÖ, die er auch scheltet, aber die Regierungsarbeit lobt und Raum für eine gemeinsame Zukunft lässt. Zur Erinnerung: die FPÖ hat die Regierung zusammen gehauen, nicht die SPÖ.
Ein Beobachtung noch zur prinzipiellen Rhetorik von Kurz: er „bittet“ sehr viel. Immer sehr salbungsvoll und höflich. Das passt wieder zu dieser zur Schau gestellten Bescheidenheit. Und es entwaffnet verbal, weil wer gibt einer „Bitte“ nicht nach.
Dann wieder ab in die Intrigenkiste: sowohl bei SPÖ als auch bei FPÖ versucht er reinzuspalten. Doskozil vs Rendi-Wagner, Hofer vs Kickl. Das soll uns vermitteln, d die Anderen ein zerstrittener Haufen sind, während er Stabilität garantiert. Das ist schon nah am Dirty Campaigning
Und am Schluss sehen wir noch einen sehr schlauen rhetorischen Trick: wenn du ein unangenehmes Thema nicht weg kriegst, dann lenke durch ein falsches Äquivalent auf ein anderes Thema um, wo dir eine „Lösung“ nicht weh tut. Durchexerziert an Parteienspenden vs Parteienförderung.
Das klingt für uns und 99% der Menschen so als wäre es das Selbe. Und es ist emotional. Die sollen schon weniger bekommen, die Gfraster. Dabei ist es genau das Gegenteil. Parteienspenden kommen zb von Horton, Glock und Benko. Parteienförderung bekommen Parteien vom Staat.
Nur will der Staat nix von den Parteien dafür, sondern stellt den demokratischen Wettbewerb sicher. Horton, Glock und Benko haben da vlt eher andere Motive und bekommen die entsprechende Politik (12h-Tag zb). Also besser ja zu Parteienförderung, nein zu Parteienspenden.
Kurz verdreht das geschickt ins Gegenteil, weil es der ÖVP natürlich viel lieber ist mehr Spenden zu bekommen und weniger Förderung. Weil die Industrie halt die ÖVP sponsort, aber die Grünen oder JETZT nicht. Es ist tief antidemokratisch.
Hui Boy, das war lang und da war viel drin. Itvs sind natürlich unstrukturierter als Reden, ich hoffe ihr konntet trotzdem folgen. Fazit: volle Attacke gegen SPÖ, Parlament ist doof und Kurz ist Staatsmann und Volkstribun zugleich. Er steht außerhalb des Systems. Danke und Ende.

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