Interview mit Nehammer

Lesezeit: ~7 Minuten

Ok ich schau mir jetzt nochmal das Interview mit Nehammer an und twittere ein paar Beobachtung. Bear with me – zu einem Interview twittern ist immer etwas inkohärenter als zu einer Rede. Aber lasst uns beginnen. #NatsAnalyse

Das Erste was ich sehr bemerkenswert finde ist inhaltlicher Natur. Die erste Verteidigungslinie ist ja „ganz normal, machen Alle so bei Wechsel“. D.h. dieser Linie folgend bedeutet es, dass für die ÖVP am 22. Mai felsenfest klar war, dass Kurz nicht BK bleibt.
Finde nur ich das im zeitlichen Ablauf bemerkenswert? Die FPÖ verlässt am 20. Mai die Regierung und am 22. Mai räumt die ÖVP schon das Kanzleramt aus. So richtig wirkt es nicht so als hätte man sich ernstlich um eine andere Variante abseits FPÖ bemüht.
Als Nächstes ein Kniff von Nehammer, den Kurz schon vollführt hat: wenn es bei dir kriselt, dann nimm dir Persönlichkeiten zu Hilfe, die öffentlich gut angesehen sind und ziehe sie rhetorisch auf deine Seite. Er macht es hier mit Bierlein.
Diese lässt intern prüfen, aber spricht allgemein davon, d es üblich ist bei Regierungswechseln Daten zu vernichten. Das stellt ja auch niemand in Abrede. D Frage ist halt welche und wie und wo. Nehammer verknüpft es jetzt so, als würde Bierlein konkret d ÖVP-Vorgehen ok finden
Das Nächste ist, dass Nehammer das „unkorrekte“ am Vorgang den falschen Namen und die nicht bezahlte Rechnung sieht. Dabei sind das ja nur Symptome aber nicht Ursachen des inkorrekten Vorgangs. Das Problem ist ja, dass 5 Festplatten nicht im BKA sondern extern vernichtet wurden.
Durch das Zugeben und Bereuen vergleichsweise kleiner Fehler oder von Nichtigkeiten tritt das Große in den Hintergrund. Also „ja das mit dem Namen war blöd, dafür entschuldigen wir uns“ und damit hat es sich. Das ist ein klassisches Ablenkemanöver.
Weil solange wir Name und Rechnung als das eigentliche Problem diskutieren, solange reden wir nicht darüber, dass der einfach mit 5 Festplatten aus dem BKA ist. Versteht ihr was ich meine. Name und Rechnung sind ja nur Folge und Notwendigkeit des eigentlichen Skandals.
Und da sind wir schon beim nächsten Frame – „Fehler“. Ein Fehler ist, wenn man sich verrechnet oder in den falschen Zug einsteigt. Aber 5 Festplatten mitzunehmen u zu Schreddern ist ja ein bewusster Vorgang, der geplant ist und vorbereitet wird. Das ist ja keine kl Unachtsamkeit
Nehammer betont immer wieder Dringlichkeit und wie schnell alles gehen muss. Mit diesem Argument will er Empathie erzeugen – wow schnell gehen soll, da passieren halt Fehler. Wir können uns das ja gar nicht vorstellen. Er tut so als ginge es um Stunden. Schauen wir uns das mal an
Was ich absolut bemerkenswert finde ist, dass für die ÖVP das Verlassen des BKA felsenfest klar war am 22. und sie, wenn man ihrer Verteidigungslinie folgt, alles für den „Wechsel“ vorbereitet haben. Aber dieser Wechsel war ja demokratisch noch gar nicht durch.
D.h. Die ÖVP hat schon fröhlich Daten vernichtet als wären sie abgewählt, weil dann Datenvernichtung legitim ist. Aber sie waren noch nicht abgewählt – die Misstrauensanträge hätten ja nicht durch gehen können. Es wurden ber präventiv Daten vernichtet. Nicht sehr souverän
Zumal ja Kurz erst am 27. abgewählt und Bierlein am 3. Juni angelobt wurde. In diesen Tagen wäre sicher genügend Zeit gewesen alle „üblichen Vorgänge“ durchzuführen. Diese ganze Verteidigungslinie „üblich“ und „muss schnell gehen“ ist also ziemlich wacklig.
Die nächste Verteidigungslinie ist, dass es ganz harmlose Daten sind. Umso unverständlicher warum es dann so schnell und klandestin und von einem politischen Mitarbeiter durchgeführt werden musste. Das ist komplett verworrene Logik. Warum mache ich mich absichtlich verdächtig?
Dritte Verteidigungslinie: „wir sind gebrannte Kinder“ Silberstein, SPÖ – das übliche Anpatzen aus einer sich selbst gegebenen Opferrolle. Der allmächtige Silberstein ist wieder aus, um der ÖVP zu schaden. Ergo: sie verteidigt sich ja nur.
Hier will er uns klar machen, dass der Zweck die Mittel heiligt. Es war vlt nicht ganz ok, was da passiert ist, aber d Gegner ließ ihnen keine andere Wahl. Diese imaginierte Zwangslage wird sehr gerne in rechter u rechtsextremer Rhetorik beschworen. Suggeriert Alternativlosigkeit
Er bringt auch zwei Beispiele. Die Fake-Seiten gegen Kurz. Bemerkenswert ist, dass hier zum ersten Mal der Name Kurz fällt, obwohl es ja sein Haus und letztlich seine Verantwortung ist. Nehammer verwendet den Namen nur dort, wo er ihn zum Opfer machen kann.
Das ist verständlich aus ÖVP-Sicht. Aber bemerkenswert – der Name Kurz wird sonst bei jeder (un)passenden Gelgenheit erwähnt („Sebastian Kurz hat mir gesagt…“ „Sebastian Kurz und ich haben immer…“ – auch bei Themen der Fachministerien, aber anderes großes Thema)
Das zweite Bsp sind die geleakten „Operation Ballhausplatz“-Papiere. Was für eine Chuzpe! Da werden im Außenministerium auf Steuerzahler_innenkosten Papiere für interne ÖVP-Intrigen gesponnen und Nehammer tut jetzt so als wäre der Leak der Skandal.
In diese Erzählung passt auch, dass das Kabinett Kurz quasi von Feinden umzingelt im BKA sitzt. Ein wirklich krasser Ausfall von politischer Seite gegen Angestellte. Der Chef sagt quasi, dass er glaubt die Mitarbeiter_innen spionieren ihn aus.
(Oh Gott Itvs auf Twitter begleiten dauert immer ewig. Wird ein ur langer Thread 🙈)
Dann wieder ein Griff in die Strategiekiste. Nehammer versucht mit einer vermeintlichen Analogiekonstruktion den Sanktus von Wolf für das Vorgehen der ÖVP zu bekommen. Er schildert eine Situation auf die Wolf nur mit „ja“ antworten kann- was er aber nicht macht.
Das ist so ein NLP-Ding, wo man versucht Leute „einzukochen“. Wir kennen das zB auch mit „du lässt ja auch nicht jeden zu dir ins Haus also machen wir die Grenzen dicht“ etc. Das Zustimmen zu einer banalen Sache wird so zum Zustimmen zu einer polit Agenda. Läuft b Wolf ins Leere.
Zu diesem bizarren Tanz um 1 oder 5 Festplatten fällt mir gar nix ein, weil ich keine erkennbare Strategie wahrnehmen kann in dieser Passage außer „ups, wir wussten nicht, dass das mit den 5 noch rauskommt“ 🤷‍♀️
Bei der Frage nach Mails gibt es rhetorisch 3 bemerkenswerte Dinge, die immer wieder vorkommen (achtet zukünftig drauf): 1. emotionaler Einstieg – „ich bin erschüttert…“ 2. Kurz als Opfer (hier wieder sofort der Name Kurz) u 3. sofortiges Diskreditieren („kriminelle Energie“)
Zum Abschluss gibt es noch die schöne Strategie des Lächerlichmachens. „Sie können ja die ZIB 2 nicht ausdrucken…“ so als hätte Wolf gefragt, ob auf den Druckerfestplatten das Ibiza-Video war, aber es wurde gefragt „im Zusammenhang mit dem Video“ und das können ja zb Mails sein
Nehammer tut so als wäre das eine total blöde lustige Frage gewesen und klärt dann auf, als wüsste Wolf nicht, dass man ein Video nicht ausdrucken kann. Auch diese Strategie wird gerne von ganz rechts angewandt, um den Diskurs zu zerstören und auf Fragen nicht zu antworten.
So das wars – ich hoffe ich konnte euch irgendwas Neues erzählen. Im Prinzip ging Nehammer mit der Strategie Pseudo-Aufklärung (Fehler) – Opfersein (Spionage) – Lächerlichmachen (Ausdrucken) rein.
Weil ich in den letzten Tagen wieder vermehrt gefragt wurde – wer mich finanziell unterstützen kann und will, so geht das. Natürlich keine Verpflichtung – ich Danke an der Stelle Allen, die schon haben.

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